Gestern leider wieder mal einen Artikel über
gegenwärtigen Antisemitismus in Deutschland gelesen
(diesmal ging es um diesbezügliche Ereignisse in Schulen).
Bin erneut fassungslos, dass und in welchem Ausmaß dieses
jahrhundertealte Problem immer noch fortbesteht.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund möchte ich heute mit
Henriette Herz
nicht nur eine weitere, sondern auch die erste
deutsch-jüdische Salonnière aus der Romantik hervorheben.
Geboren wurde sie 1764 in Berlin als Henriette de Lemos. Stadtbekannt bereits im Kindesalter für ihre ausnehmende Schönheit wurde sie früh mit dem angesehenen Arzt, Philosophen und Schriftsteller Marcus Herz verheiratet, in dessen Haus regelmäßig Personen verschiedenster gesellschaftlicher Schichten zum Zwecke gebildeten Austauschs verkehrten. Schon seit ihrer Jugend literarisch versiert begründete sie nun in ihrem eigenen Haushalt den ersten Berliner literarischen Salon.
In für jüdische Frauen ihrer Generation typischer zunehmender Loslösung vom orthodoxen Judentum ihrer Elterngeneration blieb Henriette lange Zeit ihres Lebens dennoch in der jüdischen Religion verwurzelt. Obwohl die Aufklärung den Weg für künftige Integration und Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung Deutschlands grundlegend bereitet hatte, existierten in der christlich geprägten Gesellschaft weiterhin verbreitet judenfeindliche Vorurteile.
Dennoch wurde Henriette Herz im Berlin ihrer Zeit zu einer bei Menschen unterschiedlichster gesellschaftlicher Position und religiöser Gesinnung hoch angesehenen Persönlichkeit. Über die allgemein verbreiteten Ressentiments gegen Jüdinnen und Juden sich hinwegsetzend pflegten sie alle - auch renommierte Personen aus christlichen Kreisen - Kontakt zu ihr und besuchten regelmäßig ihren Salon.
Auch wenn Henriette später unter dem Druck der verbleibenden Judenfeindlichkeit und des fortwährenden Fehlens gesellschaftlicher Gleichberechtigung zum Christentum konvertierte, ist es ihr als Verdienst anzurechnen, nicht zuletzt durch ihren Salon den jüdisch-christlichen Dialog gefördert und auf diesem Wege zumindest zeitweise das gesellschaftliche Ansehen der Judenheit innerhalb ihres Wirkungskreises gesteigert zu haben.
Quellen/Literatur:
Herz, Henriette: Erinnerungen. In: Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen. Hrsg. v. Rainer Schmitz. 1984, S. 5-204.
Rasch, Hanna: Henriette Herz in deutsch-jüdischer Perspektive. 2008, S. 10-11.
Wilhelmy, Petra: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780-1914). 1989.
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